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©Stephan Bartel

Kulturgeschichte

Vom Kochen bis zur Kochkunst

Um die Höhen und Tiefen, den Aufstieg oder Niedergang eines Gewerbes bzw. eines Handwerks richtig beurteilen zu können, ist es erforderlich, sich mit dessen Geschichte zu befassen. Nur so ist es möglich, einen Überblick zu gewinnen und folgerichtig Schlüsse ziehen zu können.

Gegessen wurde zu allen Zeiten, auch „gekocht", zunächst allerdings nur in allerprimitivster Art, lediglich als ein Beitrag zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Fleisch zu kochen oder zu braten führte zum Wandel der Essgewohnheiten.

Schon in den ältesten biblischen Überlieferungen ist bereits von Gastmählern die Rede, bei denen ein gewisser Luxus getrieben wurde. Auch der Alkoholkonsum spielte eine Rolle. Kronzeuge dafür ist Noah, von dem es heißt, daß er eines Tages mehr getrunken habe, als er vertragen konnte.

Von Asien ins alte Rom

Das Geburtsland der Kochkunst ist Asien, die Mutter alter Kulturen, der Wissenschaften, Tugenden und Laster. Hier entwickelte sich schon recht früh die Zunft der Feinschmecker. Von den asiatischen Ländern aus verbreitete sich die Kochkunst über Griechenland nach Sizilien und Italien. Mit der Eroberung Italiens durch Rom nahmen Künste, Wissenschaften und mit ihnen auch die Kochkunst einen allgemeinen Aufschwung. Griechische Philosophen, Poeten, Musiker und auch Köche prägten das kulturelle Leben in Rom mit, das zum Mittelpunkt der damaligen Welt wurde. Ungeheurer Reichtum sammelte sich dort an. Ist es da ein Wunder, dass der Luxus immer größer wurde und schließlich Dimensionen annahm, die zu Verschwendung führen mussten? So wird über den römischen Feinschmecker Marcus Gavius Apicius berichtet, dass er ein Vermögen für große Festgelage ausgegeben habe. Er war Zeitgenosse der Kaiser Augustus und Tiberius, deren Regierungszeiten als das goldene Zeitalter Roms bezeichnet wird. Seine letzte große Tafel kostete 49 Millionen Sesterzen. Nach dem Mahl trank er eine Schale voller Gift, da er befürchtete, dass sein Vermögen nicht ausreichen würde, um auch fernerhin in dem kostspieligen Luxus frönen zu können.

Noch bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. wird uns von ähnlichen gastronomischen Exzessen berichtet. Zu dieser Zeit liebten es die Germanen, außer dem Krieg nur noch die Jagd als eines freien Mannes würdiges Geschäft anzusehen.

Von Germanen und Mönchen

Die alten Germanen verstanden es schon früh, Fleisch zu kochen. An einer Stelle der „Edda" heißt es „...daß Kalbfleisch in Brühe steht...". Wild erfreute sich bis ins Mittelalter größter Beliebtheit. Während der Römerzeit gewöhnten sich die Germanen an die Ess- und Trinkkultur der Legionäre und Beamten, statt ihres Mets tranken sie Wein. Waren es doch die Römer, die den Weinbau an Mosel, Saar, Rhein und Main eingeführt hatten. Der Frankenkönig Karl der Große schätzte den Wein, und als besonderes Zeichen seiner Gunst schenkte er 777 der Abtei Fulda acht Weinberge an der Fränkischen Saale. Ein Zeichen, dass die Nachfahren der Germanen eine feine Zunge für Wein und Speisen hatten. Doch erst im 16. Jahrhundert wurde in Deutschland neben dem Bier auch Wein ein Volksgetränk und wegen seiner Wirkung sehr populär.

Gerade den Mönchen verdanken wir die Überlieferung vieler alter Rezepte. In unserem Museumsfundus befindet sich eine Kochjacke, die aus jener Zeit stammt: eine abgeschnittene Mönchskutte mit zunächst zehn, dann zwölf Knöpfen. Die Germanen liebten das Gute und Gediegene und boten den Reisenden Unterkunft und Verpflegung. Als Berufsköche kann man sie nicht bezeichnen, wohl aber ihre Tätigkeit auf gastronomischem Gebiet anerkennen. Ihre Pflege der Kochkunst hatte mehr wissenschaftlichen Charakter. Sie erfanden die „Fastenspeise", die vielfach das Fasten nicht zu einer Entbehrung, sondern zu einem Vergnügen machte. Man verzögerte die Stunde der Mahlzeit, um sich dann mit größerer Gier den Speisen hinzugeben.
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Wussten Sie's?

Eine der ältesten Sammlungen deutscher „Küchenrecepte" ist in den Würzburger Pergamenthandschriften enthalten, die in der Universitätsbibliothek München aufbewahrt werden. Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und beginnt mit dem Satz „Dis buch sagt von guter Speise das machet die unverrihtigen [unverständigen] Köche wiese". Es ist ein Kochbuch für die Gaumenfeuden der Rittersleute gewesen und zeichnet die Anfänge der Kochkunst unserer Ahnen auf, denn „dis buch sagt von guter Speise" und ist eine „gute lehre von guter Speise". Diese mitteralterlichen und spätmittelalterlichen Rezeptüberlieferungen lassen schon Verständnis für diätische und medizinisch-therapeutische Probleme erkennen.

Vom Handeln und Wandeln

Bildnachweis: Barbara Rosner auf Pixabay
Nachdem sich der Ackerbau nach Karl dem Großen zu einer Naturalwirtschaft entwickelt hatte, arbeiteten die Handwerker in den Städten meist gegen Beköstigung. Die Folge war, dass die Landesverordnung von 1482 vorschrieb, ihnen einen Lohn in harter Münze zu zahlen. Verboten war es, den Handwerkern nicht mehr als zwei Bier, zwei Wein und mittags nicht mehr als sechs Gänge zu gewähren. Die Einführung des Münzewesens war der erste Schritt zur Geldwirtschaft, die dann die Patrizier groß, mächtig und reich werden ließ. Die weitgehenden Handelsbeziehungen der Kaufleute hatte zur Folge, daß sie verschwenderisch mit exotischen Gewürzen und Waren wirtschafteten. Geld als Zahlungsmittel ersetzte in immer größerem Umfang die Entlohnung in Naturalien, was z.B. zum noch heute gültigen Gastrecht führte.

Der weitverzweigte Handel der Hanse, vor allem in Deutschland und Nordeuropa, führte zu einer Verfeinerung der Esskultur durch Verbreitung fremdländischer Speisen. Auch der blühende Handel mit Italien, Griechenland und dem Vorderen Orient, der Kaffee, Früchte, Gewürze, Glas, Papier, Tuch, Seide usw. nach Mittel- und Nordeuropa brachte, führte zu einer Entfaltung der Kochkunst.

Von Pfauen und Biberschwänzen

Bis ins späte Mittelalter galt der Pfau in den Federn als ein Leckerbissen ersten Ranges. Manche der Tiere sind uns kaum noch bekannt, viele stehen heute unter Artenschutz wie Adler, Trappe, Fischreiher, Pfau, Rohrdommel, Meerschwein, Kranich, Bär, Igel, Schwalbe, Schwan, Strauß, Star und Zaunkönig. In der „Freßwissenschaft" von Michel de Montaigne war allerdings nur noch der Schwan von Bedeutung, dagegen behaupten Truthahn und Perlhuhn auch heute noch ihren festen Platz in der Küche. Mit Verwunderung lesen wir in alten Kochbüchern, dass man damals gefüllte Hirschmägen, Geschlechtsdrüsen von Hirschen, Biberschwänze, Ziegenhirn, Euter und Knödel aus Gänsemägen verspeiste. Marx Rumpolt bezeichnet ein ungeborenes Hirschkalb am Spieß als Leckerbissen für seinen Herrn und fügt hinzu, dass so mancher einfacher Bauer davon nicht mal probieren würde.

Soßen errangen ihre Beliebtheit erst im späten Mittelalter und waren als geschmackliches Gegengewicht zum überwiegend am Spieß gebratenen Fleisch gedacht. Saftige Braten vom Spieß oder Rost konnten nur erfahrene Köche erzielen, die diese Garungsarten beherrschten. Unser deutsches Wort Soße geht zurück auf lat. „ salsa" = gesalzene Brühe und bezeichnet eine flüssige bis sämig gebundene und mit allerlei Würzkräutern verfeinerte Beigabe.

Zu den Festmählern wurden die Tafeln reich geschmückt. Den Tisch bedeckte ein weit über die Ränder herabfallendes Tischtuch, mitten darauf stand das Salzfass oder Salzschiff, ringsherum lagen die Brote. Gegessen wurde immer noch mit den Fingern. Die Gabel, obgleich sie bekannt war, wurde mehr zum Tranchieren verwendet.

Von ersten Schritten in Deutschland

Im Mittelalter hatten die Franzosen wie auch die Deutschen von dem Luxus der römischen und griechischen Tafel- und Kochkunst keine Ahnung. In dieser Zeit ist daher auch kein nennenswerter Fortschritt zu verzeichnen. Die Pestjahre im 14. Jahrhundert verhinderten die Entwicklung des Gast- und Beherbergungsgewerbes; ebenso hinderlich waren auch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, dem über 50 % der Bevölkerung zum Opfer fielen.

So machte die Kochkunst in Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich, erst im 17 und 18. Jahrhundert ihre ersten Fortschritte. In Hamburg, Hannover, Berlin, Leipzig und Nürnberg erschienen verschiedene Kochbücher, die zwar an den Ruhm der bereits vorhandenen französischen Werke nicht heranreichten, doch legen sie Zeugnis davon ab, dass auch deutsche Köche schöpferisch tätig waren. Der Berufskoch freilich bezog sein hochgeschätztes Wissen nicht aus solchen Schriften, sondern mündlich in der Lehre und in der Küchenpraxis von seinem Meister.

Mit dem Ausbau der Handelsstraßen, an denen alle zwei bis drei Meilen ein Wirtshaus errichtet wurde, kam die Entwicklung unseres Gewerbes in Gang. Zwar mussten sich die Reisenden mit Pferdekutschen auf holperigen Wegen durchs Land quälen, doch standen ihnen, wie gesagt, vielerorts Unterkünfte zur Verfügung.
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